Väter sind vor allem für Töchter die wichtigsten Bezugspersonen während der Kindheit. Doch sobald das Bild des perfekten Vaters langsam bröckelt, bleibt nichts als Enttäuschung und bitterer Erkenntnis zurück.

 

Wenn Mia an ihre Kindheit zurückdenkt, erinnert sie sich an wundervolle Stunden mit ihrer Familie und ihren Freunden. Sie war glücklich.

Je älter sie wird, desto bewusster nimmt sie wahr, dass ihre Eltern Probleme haben. Mias Vater ist gewalttätig, schlägt ihre Mutter und sie selbst, wenn sie zu spät nach Hause kommt oder schlechte Noten schreibt.

Mia erkennt schnell, dass ihr Vater nur leere Versprechungen macht und lügt. Selbst ihre Mitschüler wollen aus Angst vor ihm, nicht mehr zu ihr.

Aber das war erst der Anfang.

 

»Der wahre Horror in meinem Leben begann, als meine Mutter nach der Scheidung nach Indien zurückkehrte.«

 

Weil niemand sich für Mias erkrankte Großmutter verantwortlich fühlt, kehrt ihre Mutter in die ferne Heimat zurück.

Seitdem hat Mia sie nicht wiedergesehen. 

Obwohl ihr Vater ihr den Kontakt zur Mutter verbietet, leben er und Mia einige Zeit friedlich und ohne Gewalt zusammen. Es scheint, als hätte die Situation sich entspannt.

Ein Jahr nach der Scheidung schlägt Mia ihrem Vater leichtfertig vor, erneut zu heiraten. Sie ahnt nicht, was sie damit auslöst.

Als ihre Stiefmutter in ihr Leben tritt, scheint zunächst alles in Ordnung. Mia muss aber schnell feststellen, wie manipulativ und intrigant die neue Frau im Leben ihres Vaters ist.

Auch dieser verändert sich zunehmend und will Mia seinen Willen aufdrängen. Von nun an soll sie nicht nur fünfmal am Tag beten, den Koran studieren und kein Schweinefleisch mehr essen, sondern auch Kopftuch tragen und nichts mehr mit Jungs zu tun haben.

Mia, die von ihrer Mutter katholisch erzogen wurde, versteht die Welt nicht mehr. Ihr Vater, der selbst nie gläubig war, zwingt sie plötzlich in eine Religion, die nicht ihre ist.

 

»Ich war wie im Gefängnis, mein persönliches Gefängnis, abgeschottet von der Welt. Ich habe ihn wirklich mal geliebt, aber er ist schuld daran, dass ich alles verlor. Meine Familie. Meine Freunde. Mein altes Leben.«

 

Doch Mias schlimmster Tag steht ihr erst noch bevor.

Es ist der 23. November 2009.

Nach einem Streit mit ihrer Stiefmutter verbarrikadiert Mia sich aus Angst vor ihrem wütenden Vater in ihrem Zimmer. Sie verriegelt die Tür, doch die Wut ihres Vaters ist so enorm, dass er die Tür einschlägt und Mia anschließend verprügelt. So sehr, dass sie sich wünschte, zu sterben.

Aber Mias Lebenswille ist stärker. Sie will ihr Leben nicht vergeuden und auch von ihrem Vater nicht zwangsverheiratet werden. 

 

»Ich wollte niemanden heiraten, den ich nicht liebte.«

 

Anstatt sich zu verstecken, bricht sie einer Freundin und ihrem Klassenlehrer gegenüber ihr Schweigen. Das Jugendamt wurde informiert und Mia sollte unauffällig ihre Sachen packen. Das ist der Moment, in dem sie sich verabschiedet.

 

Nach einer Woche im Heim kommt Mia zu einer Pflegefamilie, in der sie drei Jahre lebt. Ihre Pflegeeltern sind bereits Rentner, die Pflegemutter ein sehr eifersüchtiger Mensch. Mia erinnert sich an eine emotionslose, nicht sehr herzliche Zeit. Doch alles ist für sie besser, als zu ihrem Vater zurückzukehren.

Von ihren Freundinnen erfährt sie, dass ihr Vater sie überall sucht. Vergeblich. Bis heute hat sie keinen Kontakt mehr zu ihm.

 

Trotz all der negativen Erfahrungen nimmt Mias Leben eine positive Wende, als sie ihren Mann kennenlernt. Nach den drei Jahren in der Pflegefamilie ziehen die beiden zusammen. Mia weiß, dass sie sich auf ihn verlassen und ihm vertrauen kann. Mia ist glücklich, vermisst aber ihre Mutter. 

 

»Meine Mama und ich waren ein tolles Team.«

 

Obwohl sie wieder telefonischen und schriftlichen Kontakt haben, kam es bislang nicht zu einem Wiedersehen.

In die Zukunft blickt sie dennoch positiv. Mia ist stärker, hat ein gutes Gespür für das Zwischenmenschliche und rät allen in ihrer Situation, nicht aufzugeben und sich anderen anzuvertrauen.

 

»Man muss sein Leben selber in die Hand nehmen, um glücklich zu werden.«

 

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Diese Geschichte wurde mir anonym erzählt.